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Pferderecht Pferdekauf – Sachmangel – Rückabwicklung Pferdekauf wegen „Rittigkeitsproblemen“(Widersetzlichkeiten“, „Kissing Spines“)

Pferderecht Pferdekauf – Sachmangel – Rückabwicklung Pferdekauf wegen „Rittigkeitsproblemen“(Widersetzlichkeiten“, „Kissing Spines“)

Im Mai 2020 hatte der BGH sich erneut mit dem Thema „Sachmangel beim „Tierkauf“ zu befassen. (vgl. vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 315/18). Der BGH hat im Wesentlichen seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und ergänzt.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des BGH zugrunde:

Es ging um die Frage, ob die fehlende Rittigkeit eines Pferdes ein Mangel ist. Die Klägerin erwarb in einer Auktion ein Pferd als Sportpferd. Als nach einiger Zeit Rittigkeitsprobleme mit dem Pferd auftraten, focht die Klägerin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Die Rittigkeitsprobleme würden auf Mängel im Skelett, entstehende Dornenfortsätze der Wirbelsäule (sog. „Kissing Spines“), beruhen und sie verlangte vom Verkäufer Zug um Zug Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Pferdes.

In der Revision führte der BGH aus, dass zwischen den Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung in dem geschlossenen Kaufvertrag. zur gesundheitlichen Verfassung oder Rittigkeit, nicht getroffen worden war. Demnach kommt es auf die Möglichkeit der vertraglich vorausgesetzten Verwendung des Pferdes als Reitpferd an. Die Anforderungen, die bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung an die gesundheitliche Verfassung eines Reitpferds zu stellen sind, sind herabzusetzen, denn es handele sich um ein Lebewesen.

Der Verkäufer eines Tiers hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Senatsurteile vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05BGHZ 167, 40 Rn. 37; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16NJW 2018, 150 Rn. 26; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO Rn. 25) und infolgedessen für die vertraglich vorausgesetzte (oder die gewöhnliche) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferds für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 24; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tiers, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, aaO Rn. 19; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO; vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18, aaO).

Der Verkäufer haftet daher nur für den Gesundheitszustand bei Gefahrübergang, und nicht für die Entwicklung. Dies gilt auch für Rittigkeitsprobleme, die als Risiko bei Lebewesen keinen Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BGB darstellen. Auch ist ein „Kissing Spines-Befund“ nicht vom Grundsatz her vertragswidrig, sofern nicht bereits klar, oder sehr wahrscheinlich ist, dass das Pferd deswegen erkranken wird und somit für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar ist.

Den Feststellungen des Berufungsgerichts war nicht zu entnehmen, dass das Pferd krank überhaupt krank war. Ein Kissing Spines-Befund, wie er hier gegeben ist, ist – wie oben ausgeführt – kein krankhafter Zustand. „Rittigkeitsprobleme“ ändern daran nichts. Eine veterinärmedizinische Definition des Begriffs der „Rittigkeitsprobleme“ existiert nicht (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag – VIII ZR 315/18, unter II 1 b bb (2) (b), zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt); etwas anderes hat auch das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zwar hat es vereinzelt den Begriff der „Erkrankung“ genutzt. Dies beruhte jedoch darauf, dass es Widersetzlichkeiten als „klinische“ Erscheinungen angesehen hat und deshalb von einem Kissing Spines-Syndrom“ ausgegangen ist. Diese Annahme war laut BGH allerdings falsch

Das Berufungsgericht hatte fehlerhaft angenommen, das Pferd habe „klinische“ Erscheinungen beziehungsweise „klinische“ Symptome gezeigt, hier in Gestalt von Buckeln und Durchgehen. Klinische Erscheinungen eines Kissing Spines-Befunds können etwa Lahmheit, krankhafte Störungen des Bewegungsapparats oder offensichtliche Schmerzen sein. Zwar können „Rittigkeitsdefizite“ eines Pferds unter Umständen – mittelbar – auf einem Engstand der Dornfortsätze beruhen, weil Veränderungen der Dornfortsätze – wie der Sachverständige ausgeführt hat – eine mögliche Ursache von Rückenschmerzen sein können. Ein Schmerzgeschehen war vorliegend jedoch nicht in Erscheinung getreten, denn eine krankhafte (Rücken-)Symptomatik, wie etwa (Druck-)Schmerzempfindlichkeit, hatte das Berufungsgericht gerade nicht festgestellt. Daher stehen im gegebenen Fall bloße Widersetzlichkeiten beim Reiten in Rede, bei denen es sich – wie ausgeführt – nicht um klinische Erscheinungen von „Kissing Spines“ handelt. Soweit einzelne Passagen in den

Bloße Widersetzlichkeiten („Rittigkeitsmängel“) stellen aber – ohne besondere Beschaffenheitsvereinbarung oder besondere Vertragszwecke, wie etwa ein Verkauf als „Anfängerpferd“ – regelmäßig keine gewährleistungspflichtige Abweichung von der Sollbeschaffenheit eines Reitpferds dar. Gelegentliches unkontrollierbares Durchgehen eines Pferds ist zwar reiterlich unerwünscht und für Pferd und Reiter auch nicht ungefährlich, so dass es den Umgang mit dem Pferd und dessen Nutzung erschwert. Es ist jedoch für sich gesehen keine Verhaltensstörung, sondern gehört noch zum natürlichen Verhaltensmuster eines Pferds als Fluchttier (vgl. Zeitler-Feicht, Tierärztliche Praxis/Ausgabe G, 2005, 266; Voschepoth, § 476 BGB beim Pferdekauf, 2014, S. 268, 270).

Der Käufer eines lebenden Tiers kann nicht erwarten, dass er – auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung – ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, mit dem er gänzlich unproblematischen Umgang pflegen kann, zumal auch eine „Disharmonie“ beziehungsweise eine unzureichende Verständigung zwischen Pferd und Reiter selbst bei qualifizierten Reitern kein untypisches, sondern ein natürliches Risiko im Umgang mit dem Pferd ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag – VIII ZR 315/18, aaO unter II 1 b bb (3) (b)). Dies wird – aus tiermedizinischer Sicht – auch anhand des Röntgen-Leitfadens 2018 deutlich, in dem es unter anderem heißt: „Der Kauf des Lebewesens Pferd wird jedoch weiterhin […] ein nicht mit anderen ‚Handelsgütern‘ vergleichbares Risiko beinhalten […]“ (GPM-Fachinformation, aaO S. 14; siehe auch Stadler/Bemmann/Schüle, aaO S. 120).

Auch ist ein „Kissing Spines-Befund“ nicht vom Grundsatz her vertragswidrig, sofern nicht bereits klar, oder sehr wahrscheinlich ist, dass das Pferd deswegen erkranken wird und somit für die vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar ist.

Für die Praxis bedeutet dies in Fortführung der Rechtsprechung des BGH, dass es darauf ankommt, ob die Sache für den beabsichtigten Zweck, den die Parteien dem Vertrag zugrunde gelegt haben, geeignet ist. Dabei sind der Vertragsinhalt und auch die Gesamtumstände des Vertrags zu berücksichtigen.

Nur wenn die Parteien eine bestimmte Beschaffenheit vertraglich vereinbaren, so übernimmt der Verkäufer die Gewähr für das Vorhandensein dieser Beschaffenheit. Wurde diese Beschaffenheit nicht vereinbart, so hat der Verkäufer nur dafür einzustehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem Zustand befindet, bei dem mit baldiger Erkrankung zu rechnen ist und es folglich für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Konkretisierung des Mangelbegriffs beim Pferdekauf

Pferderecht

Konkretisierung des Mangelbegriffs beim Pferdekauf

Rücktritt, Nachbesserung Pferdekaufvertrag

(BGH-Urteil vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18).

Im Oktober 2019 hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob sich eine folgenlos ausgeheilte Vorerkrankungen negativ auf die Beschaffenheit des Pferdes beim Verkauf auswirken und somit einen Sachmangel begründen

Der BGH hat dies verneint.

Folgender Sachverhalt lag dem zum entscheidenden Fall zugrunde:

Die Klägerin hatte einen 8-jährigen Wallach erworben. Nach Übergabe wurde im Rahmen einer Routineuntersuchung festgestellt, dass das Pferd vor Übergabe eine Fraktur der 6., 7. und 8. Rippe erlitten hatte, die jedoch vollständig und folgenlos ausgeheilt war. Die klagende Partei (Käuferin) machte gegenüber dem Beklagten (Verkäufer) geltend, das Pferd sei aufgrund der Verletzung mangelhaft. Sie verlange Nachbesserung und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das Landgericht Karlsruhe und das Oberlandesgericht Karlsruhe gaben der Klage statt, da beide Gerichte einen Mangel für gegeben sahen.

Der BGH sah dies anders und führte aus:

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist in einer nicht vorhandenen „Freiheit von Vorverletzungen“ kein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu sehen. Das Pferd wäre nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dann mangelhaft, wenn es sich mit Rücksicht auf die Vorverletzungen für die gewöhnliche Verwendung, die unter den hier gegebenen Umständen mit der im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vertraglich vorausgesetzten Verwendung als Reitpferd übereinstimmt (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2019 – VIII ZR 213/18NJW 2019, 1937 Rn. 25 ff.; vom 6. Dezember 2017 – VIII ZR 219/16NJW-RR 2018, 822 Rn. 33 ff.; vom 26. April 2017 – VIII ZR 80/16NJW 2017, 2817 Rn. 16), nicht eignen oder eine Beschaffenheit nicht aufweisen würde, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB

Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16NJW 2018, 150 Rn. 26; siehe bereits Senatsurteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05BGHZ 167, 40 Rn. 37) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 24). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, aaO Rn. 19; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO). Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO). Denn der Käufer eines lebenden Tieres kann, wie der Senat ebenfalls ausgesprochen hat, redlicherweise nicht erwarten, dass er auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, aaO; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO Rn. 25). Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, aaO; vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05, aaO).

(Das Berufungsgericht hatte im Ergebnis ein Tier mit einer ausgeheilten Fraktur letztlich wie ein als unfallfrei verkauftes Kraftfahrzeug mit einem vollständig und fachgerecht reparierten Unfallschaden (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 209/05BGHZ 168, 64 Rn. 17; vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05NJW 2008, 1517 Rn. 21) behandelt. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung ist aber nach Auffassung des BGH kein Raum.

Der BGH macht deutlich, dass die allgemeinen gesetzlichen Regelungen und Grundsätze des Kaufrechts ohne Weiteres nicht auf Lebewesen anzuwenden sind. Sie bedürfen fortwährend einer obergerichtlichen Auslegung und Anpassung. Die Entscheidung konkretisiert den Mangelbegriff beim Pferdekauf, ferner generell bei Lebewesen.

Vom Standpunkt des Verkäufers ausgesehen, ist diese Entscheidung zu begrüßen, da nochmals klar wurde, dass folgenlos ausgeheilte Verletzungen ohne Weiteres keinen Sachmangel begründen und keine Ansprüche des Käufers hervorrufen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Kein weiteres Schmerzensgeld für Reiterin nach Schädel-Hirn-Trauma

Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 25.10.2021

Kein weiteres Schmerzensgeld für Reiterin nach Schädel-Hirn-Trauma

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat mit Urteil vom 19. Oktober 2021 die Schmerzensgeldklage einer Frau aus Nordhorn gegen den Eigentümer eines Reitpferdes zurückgewiesen.

Die Reiterin hatte am Unfalltag erstmals das Pferd „Ronald“ des Beklagten geritten. Das Pferd war an diesem Tag nervös. Die nicht sehr reiterfahrene Klägerin war kurz vor dem Unfall bereits einmal mit dem Fuß aus dem Steigbügel gerutscht und hatte deswegen absteigen müssen. Sie stieg dann wieder auf. Das Pferd wechselte vom Trab in den Galopp; die Klägerin kam zu Fall und prallte mit dem Kopf gegen einen Holzpfosten. Sie war zunächst bewusstlos und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma.

Die Klägerin hat behauptet, „Ronald“ sei auf einmal durchgegangen. Der Beklagte hafte als Eigentümer des Pferdes für die sogenannte „Tiergefahr“. Der Beklagte gab an, die Klägerin habe dem Tier durch Anpressen der Beine den Befehl zum Galopp gegeben. Das Tier habe nur gehorcht. Der Unfall beruhe daher nicht auf der Tiergefahr, sondern auf einem Reitfehler. Eine Zeugin berichtete, die Klägerin habe unsicher gewirkt, die Chemie zwischen ihr und dem Pferd habe nicht gestimmt. Das Tier sei normal und sanft in den Galopp übergegangen.

Der Senat konnte nicht feststellen, dass sich eine Tiergefahr verwirklicht habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es auch möglich, dass die Klägerin aus Unsicherheit die Beine angepresst und damit dem Pferd den Befehl zum Galopp gegeben habe, ohne dies eigentlich zu wollen.

Die Klägerin erhält daher kein weiteres Schmerzensgeld. Die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beklagten hatte ihr bereits freiwillig ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro gezahlt.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 19.10.2021, Az. 2 U 106/21.

Oberlandesgericht Oldenburg
Pressestelle
Richard-Wagner-Platz 1
26135 Oldenburg

Quelle: EUDequi-Newsletter „Wissenswertes und Aktuelles aus dem Pferderecht“ | https://eudequi.de/

Versorgung von Pferden in Zeiten von Corona (NRW)

Versorgung von Pferden in Zeiten von Corona in NRW

Nach § 4 II Nr. 8 CoronsSchV NRW in der ab dem 27.11.2021 geltenden Fassung dürfen Freizeiteinrichtungen, zu denen auch Reitsportanlagen zählen, nur von immunisierten (vollständig geimpften oder genesenen, § 2 VIII CoronaSchV NRW) Personen betreten werden. Wie das MAGS (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW) dem Pferdesportverband Westfalen e.V. in einer e-mail vom 26.11.2021 auf Anfrage mitgeteilt hat, ist es aus Gründen des Tierwohls/-schutzes erforderlich, dass auch nicht geimpfte oder genesene Personen ihr Pferde versorgen und Reitsportanlagen betreten dürfen, wenn sie über einen negativen „Corona-Test“ verfügen. Das kann ein Antigen-Schnell-Test sein der nicht älter als 24 Stunden oder ein PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, § 2 VIII CoronaSchV, sein. Ebenfalls zulässig ist, dass solche Personen ihre Pferde bewegen, allerdings nur in dem Umfang, wie es das Tierwohl gebietet. (Leistungs)-Sport bezogenes Training – wie auch immer man das definiert – ist nicht zulässig. Das Bewegen des Pferdes ist auf das tierschutzrechtlich erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. Während dieser Zeit darf die Anlage (Reithalle) nicht von anderen Personen genutzt werden. Ist das nicht möglich, muss das Pferd außerhalb der Anlage bewegt werden.

Danach können auch nicht geimpfte/genesene Pferdehalter ihre Pferde versorgen und bewegen. Art, Umfang und Dauer werden durch das Tierwohl bestimmt, sind also nicht klar definiert. Soweit das MAGS erklärt, dass andere Personen sich nicht in der Anlage aufhalten dürfen, wenn eine nicht geimpfte/genesene Person ihr Pferd bewegt/versorgt, wird man wohl nicht davon ausgehen können, dass „Anlage“ die gesamte Reitsportanlage – Stallungen, Reithalle, Außenanlagen etc. – ist. Das wäre kaum praktikabel und würde den Zweck dieser „Ausnahmeregelung“ unterlaufen. Hier ist also das Fingerspitzengefühl der Pferdehalter gefragt. So sollte man es sicher vermeiden, dass zeitgleich Pferde in benachbarten Boxen von nicht geimpften/genesenen Personen versorgt werden. Weitere Aktualisierungen, auch für die weiteren Bundesländer, erfolgen zeitnah.

Haftung bei fehlerhafter Eingliederung eines Pferdes in eine bestehende Gruppe

Brandenburgisches Oberlandesgericht 16.02.2021 Az. 3 U 6-17

Das Brandenburgische OLG hat am 16.02.21 entschieden, dass ein Pferdepensionsbetreiber für die Folgen einer fehlerhaften Eingliederung eines Pferdes in eine bestehende Gruppe zu haften hat.

Der Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall schlossen die Pferdepensionsbetreiberin und der Halter eines 1,5 jährigen Junghengstes einen Pferdeeinstellvertrag ab. Inhalt des Vertrags war ein Platz in einer Fohlenherde, sowie die Robusthaltung und Fütterung des Junghengstes.

Nachdem der Junghengst im Zuge der Eingliederung in die Gruppe auf Grund von Rangordnungskämpfen starke Verletzungen erlitt, verklagte der Halter des Junghengstes die Pferdepensionsbetreiberin auf Schadensersatz.
Der Rechtsansicht des Pferdepensionsbetreiberin, den Vertrag nicht als Verwahrungsvertag sondern als Mietvertrag anzusehen, folgte das OLG nicht und begründete dies damit, dass mietvertragliche Regelungen nur dort Anwendung fänden, soweit sich die vertragliche Hauptpflicht in der Gewährung von Obdach – eines Stalles, einer Pferdebox, eines Käfigs o.ä.- beschränke. Auch sei der vorliegende Vertrag als „Einstellvertrag“ betitelt, im Vertrag Haltung und Fütterung geschuldet und namentlich ein „Pensionspreis“ vereinbart worden. Folge der Qualifizierung des Vertrags als Verwahrungsvertrag sei eben die unbeschadete Rückgabe, so das Gericht.

Weiter führte das Gericht aus, dass eine vertragliche Haftung der Pensionspferdebetreiberin sich auch daraus ergebe, dass sie ihr obliegende vertragliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Betreuung des Junghengstes nicht nur leicht fahrlässig verletzt habe, weil sie gegen ihr erkennbare und allgemein anerkannte Vorgaben zur Eingewöhnung neuer Mitglieder in eine bestehende Junghengstherde verstoßen habe. Das Gericht folgte damit den Ausführungen des Sachverständigen der sich wie folgt u.a. dazu äußerte (: „Wie hier verfahren worden ist, dass das Pferd einfach auf die Koppel gelassen wurde, so verfährt man üblicherweise nicht. Das wird zwar öfters so gehandhabt, das ist aber sträflicher Leichtsinn.“).

Die Pferdepensionsbetreiberin könne sich auch nicht damit entschuldigen, selbst bei Einhaltung ihrer Obhutspflicht, die Verletzungen des Tieres nicht hätte verhindern zu können. Es bestehe zwar auch nach schrittweiser Integration eines in eine bestehende Herde einzugliedernden Pferdes die latente Gefahr, dass dieses bei anschließenden Rangkämpfen im Herdenverband insbesondere im Bereich der Wirbelsäule durch Tritte verletzt würden. Aber ungeachtet dessen, dass es hierbei selbst bei zunächst unproblematisch verlaufender Eingliederung wegen der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens nach den Darlegungen des Sachverständigen jedenfalls anfänglich einer engmaschigeren Überwachung als nur in Form einer (wie von der Pferdepensionsbetreiberin zugestanden) einmaligen täglichen Kontrolle bedurft hätte, sei damit noch nicht der obliegende Nachweis fehlenden Verschuldens geführt, da die Verletzungsgefahr durch Rangordnungskämpfe doch im Fall schrittweiser Integration erheblich geringer gewesen wäre, so das Gericht.

Quelle: EUDequi-Newsletter „Wissenswertes und Aktuelles aus dem Pferderecht“ | https://eudequi.de/