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Gutgläubiger Erwerb eines Pferdes

LG Bonn, Urt. v. 30.07.2015 – 2 O 444/14

Sachverhalt:

Der Kläger, vom Beruf Pferdezüchter, verlangte von der Beklagten die Herausgabe eines Pferdes. Der Kläger hatte das streitgegenständliche Pferd unter verlängertem Eigentumsvorbehalt an Dritte übergeben. Diese sollten das Pferd für ihn weiterverkaufen. Er übergab den Dritten den dazu gehörigen Pferdepass sowie eine Kopie der Eigentumsurkunde. Die Dritten verkauften das Pferd an einen Pferdehändler, ohne den Kläger den erzielten Verkaufspreis zu übergeben. Der Pferdehändler verkaufte wiederum das Pferd an die Beklagte, die jetzige Besitzerin des Pferdes. Der Kläger war der Meinung, er habe das Eigentum an dem Pferd nicht verloren. Die Beklagte hatte grob fahrlässig gehandelt. Die Kopie der Eigentumsurkunde reiche für den Eigentumsübergang nicht aus. Die Beklagte verlangte wiederum im selben Prozess von dem Kläger die Herausgabe der Eigentumsurkunde.

 

Entscheidung:

Der Pferdezüchter hatte mit seiner Klage keinen Erfolg. Die Beklagte hatte zudem ein Anrecht auf die Eigentumsurkunde. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes, da er nicht mehr dessen Eigentümer war. Die Beklagte ist infolge eines gutgläubigen Erwerbs Eigentümerin geworden. Sie war beim Kauf des Pferdes bezüglich der Eigentümerstellung des Pferdehändlers im guten Glauben.

Exkurs gutgläubiger Erwerb an beweglichen Sachen nach §§932 – 936 BGB:

Der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten ist in den Paragraphen 932-936 BGB geregelt. Nichtberechtigte sind in der Regel Personen, die nicht Eigentümer aber Besitzer der zu verkaufenden Sache sind. Die Besitzverschaffungsmacht des Verkäufers an der Sache bildet hier den Rechtsschein des Eigentums, auf den der Käufer vertrauen darf. Voraussetzung ist jedoch, dass der Erwerber gutgläubig in Bezug auf das Recht am Eigentum des Veräußerers ist. Er darf also weder wissen, noch aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht wissen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist.

Ausgeschlossen ist ein gutgläubiger Erwerb allerdings bei abhandengekommen, das heißt gestohlenen Sachen. Sie hatte zum einen von dem verlängerten Eigentumsvorbehalt keine Kenntnis. Zum anderen hatte sie im Zeitpunkt des Kaufs bezüglich der Eigentümerstellung des Verkäufers oder dessen Berechtigung keine grob fahrlässige Unkenntnis.

Die Kopie der Eigentumsurkunde reicht für ein grobfahrlässiges Handeln nicht aus. Die Eigentumsurkunde, ausgestellt vom Zuchtverband, enthält nur Angaben zum Pferd, nicht aber zum Eigentümer. In die Eigentumsurkunde wird nur der Züchter, nicht der zukünftige Erwerber eingetragen. Die Eigentumsurkunde gibt daher wie auch der Pferdepass nur Auskunft über das Pferd. Der Vermerk, der nur eine Vorgabe des Zuchtverbands ist, „Die Eigentumsurkunde steht demjenigen zu, der Eigentümer des Pferdes i.S. des BGB ist. Sie ist daher bei Veräußerung des Pferdes zusammen mit dem ebenfalls zum Pferd gehörigen Pferdepass dem neuen Eigentümer zu übergeben und bei Tod des Tieres an den ausstellenden Verband zurückzugeben …“ hindert den Eigentumsübergang nicht.

Eine grobe Fahrlässigkeit der Beklagten lag des Weiteren auch nicht vor, da die Kopie der Eigentumsurkunde aufgrund eines Aufklebers mit Barcode einen autorisierten Charakter hatte.

Die Beklagte hatte daher einen Herausgabeanspruch der Eigentumsurkunde. Als Eigentümerin des Pferdes hat sie daran ein schützenwertes Interesse.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Springpferd – Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit

LG Stade, Urt. v. 24.05.2006 – 2 O 212/04

Sachverhalt:

Ein 68 jähriger erfahrener Amateurspringreiter (der Kläger), wollte für sich ein Springpferd kaufen. Der Beklagte bot ihm eine Stute an. Diese ließ sich der Beklagte vorreiten und ritt anschließend selbst auch Probe. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Stute bereits eine „Ton-OP“ hatte sowie einen Chip entfernt wurde und eine leichte Fehlstellung der Hufe vorliege. Dies bestätigte  auch die vor dem Kauf durchgeführte Ankaufsuntersuchung. Für einen Preis von 19.000 € erwarb der Kläger die Stute, wobei er im Wert von 1.500 € ein anderes Pferd in Zahlung gab. Etwa drei Monate nach der Übergabe erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag, da das Pferd ernsthafte Rittigkeitsprobleme und auch gesundheitliche Mängel habe. Die Stute könne nur mit Hilfe von Ausbindern geritten werden, da sie ansonsten den Kopf hoch schlage. Weiter  galoppiere die Stute durch jede Wendung im Kontergalopp. Darüber hinaus leide  das Pferd an blutigen Nasenausfluss. Der Beklagte lehnte die Rücknahme des Pferdes Zug um Zug gegen Zahlung von 19.000€ und Rückgabe des in Zahlung genommenen Pferdes ab. Dagegen  reichte der Käufer Klage ein.

 

Entscheidung:

Da der Kläger kein Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 326 Nr. 5, 346 BGB hatte, wurde die Klage abgewiesen.

Voraussetzung für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ist, dass zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Sache ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB anhafte. Ob ein Mangel vorliegt richtet sich zunächst nach der vereinbarten Beschaffenheit. Beide Parteien hatten sich bei dem Kauf unstreitig darauf geeinigt, dass das Pferd sich als Springpferd eignen solle. Darüber hinaus gehende  Vereinbarungen, ob das Pferd sich zum Turnierreiten oder für eine bestimmte Leistungsklasse eignen solle, wurden nicht getroffen.

Ferner stellte das Landgericht dazu fest, dass alleine aus dem höheren Alter des Käufers auch keine schlüssige Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden kann, dass es sich bei dem Pferd um ein besonders einfach zu reitendes „Lehrpferd“ handeln solle. Das Alter des Reiters allein reiche nicht aus, um auf reiterliche Fähigkeiten oder Schwächen schließen zu können. Der Beklagte hätte davon ausgehen müssen, dass es sich bei dem Käufer um einen erfahrenen Reiter handelt, der es versteht ein Pferd mit den richtigen Hilfen über die Sprünge zu lenken. Nach Ansicht des Gerichts war der Beklagte „ohne besondere Vereinbarung nicht gehalten, dem Kläger nur ein Pferd anzubieten, welches praktisch ohne Anleitung und unabhängig von dem Verhalten seines Reiters jeden Parcours springt.“ Daher war einzige vereinbarte Beschaffenheit, dass sich das Pferd zum Springreiten eigne, was nach der Beweisaufnahme durch den Sachverständigen zweifellos der Fall war. Ferner konnte der Sachverständige die vom Kläger behauptete Unrittigkeit nicht feststellen. Das Pferd sei unter ihm stets am Zügel gegangen und habe nicht den Kopf hochgerissen, auch ohne den Einsatz eines Gummichambons. Die Stute sei lediglich hin und wieder in den Kreuzgalopp umgesprungen, was jedoch keinen Mangel darstelle. Weil sich bei Pferden der Allgemeinzustand schnell ändern kann und deswegen mit hinreichender Sicherheit keine Rückschlüsse auf ein früheres Verhalten gezogen werden können, scheitert der Rücktrittsanspruch im Hinblick auf die Unrittigkeit im Übrigen auch an der Unmöglichkeit der Beweisführung durch den Käufer. Der Sachverständige könne lediglich das derzeitige Verhalten des Pferdes beurteilen, nicht aber das Verhalten zum Zeitpunkt der Übergabe.

Das Pferd eignete sich auch physisch zum Springreiten, denn nach der Aussage des Sachverständigen habe die Stute nur minimalen Nasenausfluss mit geringen Blutspuren, der nur unter extremer Belastung auftrete. Die Eignung des Pferdes zum Springen werde dadurch nicht eingeschränkt.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Foto: Fotalia

Sechs Monate altes Fohlen ist „Neue Sache“

BGH, Urteil vom 15.11.2006 – VIII ZR 3/06

Sachverhalt:

Der Kläger kaufte auf einer Auktion ein sechs Monate altes Hengstfohlen. Veranstalter der Auktion war die beklagte GmbH, die als Kommissionär im eigenen Namen für Rechnung des Ausstellers das Fohlen verkaufte. Die dem Geschäft mit dem Kläger zugrunde liegenden Auktionsbedingungen der Beklagten bestimmen unter anderem, dass die versteigerten Pferde als gebrauchte Sachen im Rechtssinne verkauft werden. Zudem würden sämtliche Pferde vor der Anlieferung zur Pferdeauktion klinisch untersucht. Die Protokolle der Untersuchung stünden allen Kaufinteressenten zur Verfügung. Das Protokoll solle laut der Bedingungen die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe darstellen. Im Übrigen würden die Pferde verkauft wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Haftung/Gewährleistung. Die GmbH übernehme keinerlei Gewähr oder Garantie für bestimmte Eigenschaften oder Verwendungszwecke. Sämtliche Ansprüche seien gegen sie als Kommissionär zu richten. Die Gewährleistungsrechte im Bezug auf die vereinbarte Beschaffenheit verjähren innerhalb von 12 Monaten nach Zuschlag. Laut des Untersuchungsprotokolls hatte das besagte Fohlen insbesondere keine Befunde am Herzen.

Fast zwei Jahre nach der Auktion erklärte der Käufer schriftlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, da sich herausgestellt habe, dass das Pferd einen angeborenen Herzfehler habe. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Rückabwicklung des Vertrages nebst Ersatz der von ihm aufgewandten Aufzuchtkosten.

 

Entscheidung:

Sowohl in erster als auch zweiter Instanz unterlag der Kläger mit seinem Begehren. Die Revision zum BGH verlief hingegen erfolgreich. Das OLG Schleswig hatte seine Berufungsabweisung im Wesentlichen damit begründet, dass unabhängig davon, ob das Pferd überhaupt einen Mangel aufweise, der Kläger sich nicht mehr auf seine Gewährleistungsrechte berufen könne, da diese jedenfalls gemäß § 218 BGB verjährt seien und die Beklagte sich auf die Verjährung berufen habe. Die Beklagte habe sich auch zu Recht gemäß § 475 Abs. 2 BGB auf die laut den Auktionsbedingungen auf ein Jahr verkürzte Verjährung berufen können, da es sich bei dem Fohlen um eine gebrauchte Sache gehandelt habe. Dies würde sich bereits aus den Auktionsbedingungen ergeben nach denen alle Pferde als „gebraucht im Rechtssinne“ anzusehen seien, was auch keinen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB darstelle. Dies sah der BGH jedoch anders und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück um dort die Feststellungen über einen möglichen Sachmangel zu treffen. Entgegen der Ansicht des OLG sei der Gewährleistungsanspruch des Klägers noch nicht nach § 218 BGB verjährt, der Rücktritt daher nicht unwirksam gewesen. Es gelte vorliegend die zweijährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB, da diese nicht durch die Auktionsbedingungen wirksam auf ein Jahr verkürzt wurden. Denn zum einen verstoße die Klausel, die die Ansprüche auf 12 Monate verkürzt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB und zum anderen steht der Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist § 475 Abs. 2 BGB entgegen, demzufolge bei einem Verbrauchsgüterkauf die Gewährleistungsansprüche des Käufers im Falle des Verkaufs neuer Sachen nicht auf weniger als zwei Jahre verkürzt werden können. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Dies umfasst auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen durch Herabsetzung der gesetzlichen Verjährungsfrist. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB daher insgesamt unwirksam, wenn nicht die dort bezeichneten Schadensersatzansprüche von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Demnach war diese Klausel unwirksam, da sie pauschal alle Ansprüche des Klägers  verschuldensunabhängig verkürzte, was dazu führt, dass die gesetzlichen Regelungen eingreifen, also die gesetzliche Frist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB von zwei Jahren gilt. Zudem handelt es sich bei einem sechs Monate alten Fohlen nach Ansicht des BGH auch nicht um eine gebrauchte Sache, weswegen § 475 Abs. 2 BGB der Verkürzung der Verjährung entgegensteht. Die Ausnahmeregelung des § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB, nach der die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf dann nicht gelten, wenn gebrauchte Sachen in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann, greift daher nicht ein. Das Fohlen war zum Zeitpunkt des Verkaufs weder als Reit-, noch als Zuchtpferd „benutzt“ worden und daher objektiv als „neu“ anzusehen. Wegen § 90a BGB sind auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Eine generelle Annahme, dass Tiere als gebraucht anzusehen wären, ist daher schon nicht möglich, da dies bei Sachen nicht vorgesehen ist. Daher ist auch für den Tierkauf zwischen „neu“ und „gebraucht“ zu unterscheiden. Wann ein junges Tier als gebraucht anzusehen ist, hinge dabei von einer Einzelfallbetrachtung ab und ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen. Jedenfalls könne aber bei Verbrauchsgüterkäufen keine davon abweichende Parteivereinbarung getroffen werden. Eine objektiv neue Sache kann nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit „gebraucht“ verkauft werden, um eine Abkürzung der Verjährung von Mängelansprüchen des Verbrauchers zu ermöglichen.

Da das Berufungsgericht keine Feststellungen bezüglich des behaupteten Herzfehlers getroffen hatte, wurde die Sache zurückverwiesen.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Pferde und Kinder

Landgericht Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 16.10.2017, Az. 16 S 5049/17

Vorinstanz: Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 13.07.2017, Az. 239 C 1390/17

Der Sachverhalt

Die Beklagte besuchte mit ihren drei und fünf Jahre alten Enkelkindern die Reithalle einer nahe gelegenen Reitanlage. Damit ihr dreijähriges Enkelkind die Reiter mit ihren Pferden besser sehen konnte, setzte die Beklagte es auf die Holzbande. Dort baumelten die Beine des Kindes, sodass seine Turnschuhe gegen die Holzwand stießen.

Zu diesem Zeitpunkt führte die Klägerin ihr Pferd am langen Zügel durch die Reithalle. Das Pferd der Klägerin erschrak durch das von dem Enkel der Beklagten verursachte Geräusch und ging rückwärts. Durch die plötzliche Rückwärtsbewegung des Pferdes rutschte die Hand der Klägerin in den Zügel und wurde nach hinten gerissen. Die Klägerin erlitt eine Schulterverletzung. Neben einem Schmerzensgeld von 3.000 Euro verlangte sie von der Beklagten auch den Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von fast 2.000 Euro.

Die Entscheidungen

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Beklagten sei der Schaden nicht zurechenbar. Sie habe sich sozialadäquat verhalten. Es sei nachvollziehbar, ihr Enkelkind auf den Rand der Bande zu setzen, um den Pferden und Reitern zusehen zu können. Ihr sei höchstens geringfügig vorzuwerfen, dass die Füße des Kindes in den Reitbereich hineinragten.

Im Übrigen sei allein das Verhalten des Pferdes, welches in den Zurechnungsbereich der Klägerin fällt, für die Verletzung der Klägerin ausschlaggebend. Für die Beklagte sei es weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen, dass das Pferd auf Poltergeräusche so schreckhaft reagieren werde.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein, nahm diese aber nach dem Hinweisbeschluss des Landgerichts zurück. Das Landgericht bestätigte nicht nur die Ansicht des Amtsgerichts, es ging sogar darüber hinaus.

An der Reithalle befand sich weder ein Hinweisschild, noch würden die Besucher anders vor dem Betreten der Reithalle darauf hingewiesen werden, dass man sich möglichst leise verhalten müsse. Vor allem hinsichtlich Alltagsgeräuschen – wie dem Poltern der Bande – hätte es eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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Haftung des Reitturnierveranstalters

Oberlandesgericht Freiburg, Urteil vom 20.04.2018, Az. 14 U 173/16

Vorinstanz:  Landgericht Freiburg im Breisgau, Urteil vom 14.10.2016, Az. 1 O 209/15

Der Sachverhalt

Auf dem Turnier des beklagten Vereins 2011 wurde ein fast dreijähriges Kind durch ein Pferd sehr schwer am Kopf verletzt, als es unbeaufsichtigt in einen Pferdeanhänger kletterte. Das Kind ist seitdem für den Rest seines Lebens auf permanente Betreuung angewiesen.

Die Eltern des Kindes klagten gegen die Pferdehalterin und den Reitverein auf die Erstattung bereits entstandener und noch unklarer Folgekosten.

 

Die Entscheidungen

Das Landgericht entschied, dass die Pferdehalterin zu einem Drittel für den Unfall und seine Folgekosten hafte: Sie habe bei dem Unfall ihr Pferd nicht in der gebotenen Weise beaufsichtigt und sei daher schadenersatzpflichtig. Die restlichen zwei Drittel müssten die Eltern des verletzten Kindes tragen, da diese ihre Pflicht, das Kind angesichts der am Turnier drohenden Gefahren ständig zu beaufsichtigen, ebenfalls verletzt hätten.

Hinsichtlich des Reitvereins wurde die Klage abgewiesen. Der Verein habe seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Er habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass gerade kleine Kinder ständig unter der Aufsicht ihrer Eltern oder anderer Verantwortlicher stehen werden und daher auch „Gefahrenstellen, die nur im Zusammenspiel mit der besonderen Unerfahrenheit von Kleinkindern wirksam werden“, nicht besonders gesichert werden müssten. Die Verkehrssicherungspflichten des Vereins seien außerdem durch die Aufsichtspflicht der Eltern „neutralisiert“ worden.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Pferdehalterin Berufung beim Oberlandesgericht ein.

Das Urteil des Oberlandesgerichts änderte jedoch an der Haftung der Pferdehalterin nichts. Sie haftet weiterhin für ein Drittel des Schadens. Sie habe den Pferdehänger nicht unbeaufsichtigt lassen dürfen. „[Die Pferdehalterin] hätte sich nur dann von ihrem geöffneten Anhänger entfernen können, wenn sie sich darauf hätte verlassen können, dass seitens des veranstaltenden Vereins durch eine Aufsicht oder eine sichere Absperrung dafür gesorgt worden wäre, dass sich Unbefugte den Hängern nicht näherten“.

Neben der Pferdehalterin und den Eltern, haftet nach Ansicht des Oberlandesgerichts aber auch der Reitverein. Es könne hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten eines Veranstalters nicht nur auf Erwachsene abgestellt werden. Der Veranstalter müsse ebenso wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, „um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen“. Dies habe der Reitverein versäumt.  Weder habe es eine Absperrung zwischen dem öffentlich zugänglichen Ausstellungsbereich mit verschiedenen Landmaschinen und den abgestellten Pferdeanhängern gegeben, noch seien Helfer damit beauftragt worden, in diesem Bereich nach dem Rechten zu sehen und Besucher darauf hinzuweisen, dass dieser Bereich nicht betreten werden dürfe. Dies sei umso verwerflicher, da es am Unfalltag derart warm gewesen sei, dass fast alle Pferdehänger zur besseren Belüftung mit offener Ladeklappe abgestellt waren.

Dieser Gefahr habe der Reitverein „mit einem zumutbaren Aufwand, der die Anforderungen an ein ländliches Reitturnier nicht übersteigt, wirksam begegnen können“.  „Bei der am Tag des Unfalls bei dem Reitturnier konkret gegebenen Situation hätte der Beklagte aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht Maßnahmen ergreifen müssen, um sicher zu stellen, dass jedenfalls Kinder, die aufgrund ihres Alters die durch den Kontakt mit Pferden begründeten Gefahren nicht einschätzen können, sich diesen nicht unbeaufsichtigt nähern. Es hätte hierzu genügt, wenn der Beklagte eine Aufsichtsperson vorgesehen hätte, die im Bereich der abgestellten, offenen Pferdeanhänger ihren Standort öfters gewechselt hätte, so dass sie den fraglichen Bereich kontrollieren und bei der Annäherung von Kindern hätten eingreifen können. […] Der Beklagte musste zum einen aufgrund der Gesamtumstände die Möglichkeit einkalkulieren, dass sich kleinere Kinder der Aufsicht ihrer Eltern entziehen könnten, und zum anderen berücksichtigen, dass auch ältere Kinder anwesend waren, bei denen man sich nicht darauf verlassen konnte, dass sie lückenlos beaufsichtigt werde.“

Das Oberlandesgericht entschied, dass die Pferdehalterin, das Elternpaar und der Reitverein zu jeweils einem Drittel haften.

 

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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