OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 4. 9. 2006 – 16 U 66/06

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Reitanfänger, erwarb einen Wallach vom Beklagten für 8.950€, den er zu Freizeitzwecken reiten wollte. Im Pferdekaufvertrag vom 29.07.2003 vereinbarten die Parteien eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung. Weiterhin wurde unter Nr. 7 des schriftlichen Pferdekaufvertrags festgehalten:

„Eine bestimmte Beschaffenheit i.S. von § BGB § 434 BGB § 434 Absatz I BGB ist nicht vereinbart. Die Haftung des Verkäufers wird beschränkt auf gesundheitliche Mängel, die geeignet sind, die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen”.

Bei der Ankaufsuntersuchung wurde von Tierärzten eine positive Beugeprobe vorne links diagnostiziert. Es wurden Röntgenaufnahmen aufgenommen; die sich aus den Bildern ergebenden Verschattungen wurden von den Ärzten in die Röntgenklasse Stufe 1 eingestuft.

(Die Einstufung in 7 schulnotenähnlichen Röntgenklassen wurde zwischenzeitlich richtigerweise abgeschafft siehe RöLF 2018. Vielmehr werden in diesem Röntgenleitfaden ausschließlich Röntgenbefunde aufgezählt, die von der „normalen Röntgenanatomie“ abweichen. Nach  RöLF (2018) werden die Aufnahmen folgendermaßen beurteilt: Röntgenbilder, die die normale Röntgenanatomie zeigen oder anatomische Varianten, die keine funktionelle Bedeutung haben, werden o.b.B. (ohne besonderen Befund) bezeichnet. Alle Befunde, die von dieser „normalen“ Röntgen­anatomie abweichen, werden im Protokoll notiert. Das sind entweder Befunde bei denen das Risiko, eine Lahmheit hervortreten zu lassen, nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann oder es sind solche Befunde, die bereits mit einem Lahmheitsrisiko behaftet sind. Diese “Risiko­befunde” werden besonders gekennzeichnet. Als Grundlage für diese Einschätzung dienten der Röntgenkommission aktuelle, internationale Lehrbücher und wissenschaftliche Studien.)https://www.st-georg.de/wissen/roentgen-leitfaden-2018-radikale-aenderung-bei-der-kaufuntersuchung-von-pferden/

Einige Monate später wollte der Kläger das Pferd weiterverkaufen. Bei einer erneuten Ankaufsuntersuchung durch einen anderen Tierarzt wurde das Tier in die Röntgenklasse 3 eingestuft, wobei laut Arzt ein erhebliches Risiko beim Kauf des Pferdes bestehe.

Daraufhin erklärte der Kl. der Bekl. gegenüber mit Schreiben vom 12. 8. 2004 den Rücktritt vom Vertrag.

Er machte geltend, dass die erste Ankaufsuntersuchung fehlerhaft gewesen sei. Das Pferd habe schon damals in die Röntgenklasse 3 eingestuft werden müssen. Zudem sei der neue röntgenologische Befund Beweis dafür, dass das Pferd Schmerzen im fraglichen Gelenkbereich verspüren müsse, woraus sich ergebe, dass das Pferd nicht belastbar und damit ungeeignet als Reitpferd sei, weil es insbesondere nach mehrstündigem Reiten lahm gehen werde.

Er hat schließlich gemeint, dass es sich bei der röntgenologischen Beurteilung und Einstufung in Röntgenklasse 1 um eine zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes gehandelt habe.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es war der Auffassung, dass es sich bei dem röntgenologischen Befund der Ankaufsuntersuchung nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung gehandelt habe, aber das Pferd mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Reitpferd belastbar sei, sodass ein Sachmangel im Sinne von § 434 I Nr. 2 BGB vorliege. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C, welches darlege, dass angesichts der Befunde und der insoweit festgestellten Abweichungen von der Norm ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von klinischen Erscheinungen (Lahmheit) gegeben sei. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

 

Entscheidung:

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG stehen dem Kläger keine Ansprüche wegen einer Mangelhaftigkeit des Pferdes zu.

„Ein Mangel an einem Reitpferd liegt dann vor, wenn zwingend vorhersehbar ist, dass das Pferd eine bestimmte Krankheit bekommen wird und lediglich der Zeitpunkt ungewiss ist.“

Es sei zutreffend, dass die röntgenologischen Befunde der Ankaufsuntersuchung keine Beschaffenheitsvereinbarung ausmachten. Sie dienten lediglich zur Absicherung des Käufers im Hinblick auf die fehlende Gewährleistung des Verkäufers und begründeten keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.

Bezüglich der Beschaffenheitsvereinbarung sei lediglich der Inhalt des Vertrags zu berücksichtigen, der sich auf solche Mängel beschränke, die „die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen geeignet sind.“ Eine sich im Nachhinein als falsch herausgestellte Tatsache der Ankaufsuntersuchung begründe keine Haftung des Beklagten.

Ebenso begründe das Gutachten des erstinstanzlich hinzugezogenen Sachverständigen keinen Mangel. Es sei zwar unstreitig, dass gewisse röntgenologische Veränderungen vorlägen. Dass daraus aber tatsächlich ein Mangel im landläufigen Sinne resultieren werde, sei derzeit unsicher.

Weist ein Tier eine Disposition auf, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, könne dies nicht schon einen Mangel darstellen. Es müsse feststehen, dass die Krankheit zwingend zu einem zukünftigen Zeitpunkt ausbreche. Davon sei vorliegend nicht sicher auszugehen; selbst bei einer Einstufung einer Auffälligkeit in Röntgenklasse 3.

Durch Schilderungen des Klägers könne nicht entnommen werden, dass es bereits tatsächlich zu einer akuten krankhaften Veränderung im Sinne eines Lahmens des Pferdes gekommen sei.

Siehe zu diesem Thema auch der BGH: In seinem aktuellen Urteil vom 18.10.2017 (VIII ZR 32/16) betont der BGH noch einmal, die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd werde nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könne, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstünden. Ebenso wenig würde es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres (Pferdes) gehören, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspreche. Ein Käufer könne nicht erwarten, ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten, sondern müsse vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufwiese, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich seien. siehe auch https://pferderecht-sbeaucamp.de/ruecktritt-vom-pferdekaufvertrag-vorhandensein-eines-roentgenbefunds-als-sachmangel/

 

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Susan Beaucamp

Foto: Fotalia