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Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter

Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter bei bloßer Anwesenheit eines verletzten Tieres auf gemeinsamem Gelände

Lässt sich ein gefährdendes Verhalten der Tiere anderer Halter nicht feststellen, scheitert deren Haftung auch nach den Kriterien des Handelns auf eigene Gefahr. Wer ein Tier mit Tieren anderer Halter gemeinsam unterbringt, nimmt nämlich das Risiko einer Unaufklärbarkeit der Ursache von Verletzungen freiwillig in Kauf.“

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Dezember 2016, Az. 17 U 52/16

Vorinstanz: Landgericht Kiel, Urteil vom 13. Mai 2016, Az. 11 O 271/15

Der Sachverhalt

Die Parteien sind Pferdehalterinnen, deren Pferde in demselben Stall eingestellt waren. Der Stallbetreiber brachte wie an anderen Tagen am 13. April 2013 insgesamt 14 Pferde, darunter auch die Pferde der Parteien, auf das unbeobachtete Paddock, einen eingezäunten Sand- und Grasplatz, auf dem sich die Pferde üblicherweise bis gegen 17.00 Uhr aufhielten.

Als die Pferde am Abend wie gewöhnlich in den Stall geholt wurden, lahmte die Stute der Klägerin; die später hinzukommende Klägerin stellte eine etwa 3 cm lange, leicht blutende Wunde fest, die sie versorgte, ohne sich jedoch zunächst weitere Gedanken zu machen. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine tierärztliche Untersuchung am 14. April 2013 ergab erhebliche Verletzungen am rechten hinteren Bein der Stute.

Die Untersuchung in der Tierklinik ergab, dass die Stute vermutlich aufgrund einer Schlagverletzung an der Innenseite des rechten Hinterbeines eine Griffelbeinfraktur des medialen Griffelbeins erlitten hatte.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Stute sei am Unfalltag zwischen 16:00 und 18:00 Uhr von einem der 13 anderen Pferde auf der Weide getreten worden. Die Herde sei kurz vor dem Reinholen gegen 17:00 Uhr in Unruhe geraten. Um diese Uhrzeit sei die Fütterung regelmäßig erfolgt, während es in der Außenanlage keine Futtermöglichkeiten gab. Dementsprechend hätten sich die Tiere in einem festen Herdenverband bewegt, so dass theoretisch die Tiergefahr, die von jedem Tier ausging, den Schaden des klägerischen Pferdes hätte verursachen können.

Die Klägerin macht als Schadensersatz im wesentlichen Kosten in Höhe von 4.118,23 € sowie eine Wertminderung in Höhe von 7.000,00 € geltend.

Das Urteil

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.

Es sei schon nicht gesichert, dass die Verletzungen der klägerischen Stute tatsächlich durch einen Pferdetritt verursacht worden seien. Der Unfallhergang sei nicht mehr nachvollziehbar, insbesondere nicht, dass gerade das Pferd der Beklagten an einer Auseinandersetzung mit anderen Pferden oder bloß einem unfallträchtigen Geschehen beteiligt gewesen sei.

Bleibe mithin als tatsächlicher Anknüpfungspunkt einer Haftung der Beklagten nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Menge von insgesamt 14 Pferden bei im Übrigen unklarem Handlungsablauf, reiche dies zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Tierhalterhaftung gegen einen der übrigen Tierhalter nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht aus.

Der Pferdehalter, ebenso wie der Kraftfahrzeughalter, könne Beteiligter im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sein. Ausdrücklich gelte dies auch für die Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB.

Die Vorschrift diene der Überwindung der Beweisschwierigkeiten des Geschädigten, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern solle, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden könne, wer von mehreren Beteiligten („Täter“), deren Handlung jede für sich geeignet wäre, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen sei.

Auch wenn es sich der Sache nach um eine unerlaubte Handlung handeln müsse, sei Anknüpfungspunkt nicht unbedingt menschliches Verhalten als solches; vielmehr könne auch das Halten eines Tieres die den Schaden verursachende Handlung sein.

Zu beachten sei aber, dass das „Beteiligtsein“ im Sinne von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Mitwirkung bei der Tätigkeit bedeute, welche zunächst nur eine Gefährdung hervorrufe, aber in ihrer weiteren Entwicklung zu der den Schaden unmittelbar bewirkenden Handlung geführt habe. Es müsse eine objektiv gemeinsame Gefährdung vorliegen. In welcher Weise das Pferd der Beklagten – und wenn auch nur im Sinne einer natürlichen, artgemäßen Handlung – mitgewirkt haben solle, bleibe unklar. Auch bleibe offen, in welcher über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Weise alle anderen Tiere das Pferd der Klägerin gefährdet haben könnten.

Die bloße Anwesenheit von mehreren Tieren am Ort eines Verletzungsgeschehens allein vermöge auch nach dem Sinn und Zweck der Haftungsnormen noch keine Haftung zu begründen:

Die Zurechnungsnorm des § 830 Abs. S 2 BGB, über die allein hier eine Haftung der Beklagten zu begründen wäre, wolle nämlich die Beweislage desjenigen erleichtern, der als Dritter einen Schaden erlitten habe, für den mehrere, im Einzelnen aber nicht feststellbare Schädiger verantwortlich sein können. Hier hingegen stellt sich die Frage der Haftung mehrerer potenzieller Schädiger untereinander, das Pferd der Klägerin war gerade nicht unbeteiligter Dritter.

Selbstverständlich sei nach dem Wortlaut der Normen die Haftung eines Tierhalters für die Verletzung eines anderen Tieres nicht ausgeschlossen, sondern komme vielmehr in der Praxis der Gerichte vielfach zur Anwendung. Voraussetzung sei jedoch immer ein feststellbares tierisches Verhalten im Sinne einer Handlung gegen das geschützte Rechtsgut oder zumindest ein mit dem Schadenseintritt tatsächlich in Zusammenhang stehender Vorgang, an dessen Feststellung es hier fehle.

Über diese Erwägungen hinaus scheitere eine Haftung der Beklagten aber auch nach den Grundsätzen des „Handelns auf eigene Gefahr“ zu Lasten der Klägerin.

Denn wenn sich aus tatsächlichen Gründen kein schädigendes Verhalten des in Anspruch genommenen Pferdes bzw. seines Halters oder eines anderen Pferdes feststellen lasse, habe sich gerade eines derjenigen Risiken verwirklicht, welches die Klägerin durch die gemeinsame unbeaufsichtigte Unterbringung mit 13 anderen Pferden und die daraus folgende erschwerte Beweislage eingegangen sei.

Zwar liege ein die Haftung ausschließendes Handeln auf eigene Gefahr nicht schon immer dann vor, wenn der Geschädigte seine Rechtsgüter bewusst und freiwillig der gewöhnlichen Tiergefahr ausgesetzt habe. Jedoch scheide eine Haftung aus, wenn das Verhalten des Geschädigten selbst widersprüchlich erscheine, weil er dasjenige Risiko übernommen habe, das sich im Schaden verwirklicht habe.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp

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