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Verletzung durch Pferdetritt

Verletzung durch Pferdetritt: Tierarzt trifft bei unsachgemäßem Annähern an ein Tier ein Mitverschulden

Tierarzt muss bei geringem Platz in Pferdebox mit Widerstand des Tiers rechnen!

Verletzt eine Stute einen Tierarzt, der ihr Fohlen behandeln will, kann dem Tierarzt ein – im konkreten Fall mit einem Anteil von ¼ zu bemessendes – Mitverschulden anzurechnen sein, weil er sich der Stute in einer erkennbar gefährlichen Situation unsachgemäß genähert hat und dann durch einen Tritt des Pferdes verletzt wurde. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm und änderte damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg teilweise ab.

Der Sachverhalt:

Der Kläger aus ist Tierarzt, der Beklagte aus Hobbypferdezüchter. Im April 2013 war der Beklagte Halter einer bisher ungerittenen Zuchtstute und ihres ca. drei Wochen alten Fohlens. Der Beklagte rief den Kläger wegen eines Notfalls zu Hilfe. Der Kläger sollte das an Durchfall erkrankte Fohlen im Reitstall des Beklagten ärztlich behandeln. Beim Eintreffen des Klägers befanden sich Stute und Fohlen in einer ca. 3,18 x 3,15 m großen Pferdebox. Der Beklagte hatte die Stute mit dem Kopf zur hinteren rechten Ecke gerichtet mit Halfter und Führstrick angebunden. Um das Fohlen zum Zwecke der Untersuchung und Behandlung von der Stute zu trennen, versuchte der Beklagte zunächst vergeblich, dem Jungtier einen Halfter über den Kopf zu streifen. Daraufhin begab sich der Kläger ca. 1 m weit in den vorderen Teil der Box, um das Fohlen von vorn am Kopf des Tieres zu fixieren. In diesem Moment drehte sich die Stute mit der Kruppe in Richtung Boxentür um und trat aus, wobei sie den Kläger am linken Oberschenkel traf und schwer verletzte. Der Kläger erlitt Frakturen, Muskel-, Kreuzband-, Gelenkkapsel- und Meniskusverletzungen, er musste operiert und stationär behandelt werden.

Das Urteil:

Der vom Kläger auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen den Beklagten erhobenen Klage gab das Oberlandesgericht Hamm unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von ¼ zulasten des Klägers statt.

Der Beklagte hafte aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung als Tierhalter, da sich in der Verletzung des Klägers die typische Tiergefahr realisiert habe.

Dem Kläger sei allerdings ein Mitverschulden mit einer Quote von ¼ anzulasten.

Dieses sei in seinem tatsächlichen Verhalten vor der Verletzung begründet. Vor dem Betreten der Pferdebox sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass er in der zu kleinen Pferdebox an jeder Stelle vom Huf der – offensichtlich erregten – Stute habe getroffen werden können. Der Schaden wäre durch zumutbares Trennen des Fohlens vom Muttertier mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vermieden worden.

In dieser Situation habe der Kläger die Pferdebox nicht betreten dürfen. Es habe mit einer Reaktion der Stute in einer so kurzen Zeitspanne gerechnet werden müssen, die keine menschliche Abwehrhandlung mehr zugelassen hätte. Um die beiden Pferde zu trennen, habe eine wesentlich weniger risikobehaftete Methode zur Verfügung gestanden. Die Stute und ihr Fohlen hätten durch ein Hinaus- und Wiederhineinführen beider Pferde aus und in die Pferdebox, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme einer Nachbarbox voneinander getrennt werden können, indem die Boxentür zwischen Stute und Fohlen geschlossen worden wäre. Dieses zum Trennen der Tiere geeignete Vorgehen wäre dem Kläger auch zumutbar gewesen und hätte die Gefahr einer Verletzung erheblich verringert.

Mitverschulden des Klägers wird mit Quote von 1/4 bemessen

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge – auf Seiten des Beklagten sei zu berücksichtigen, dass er die Pferde in einer zu kleinen Box gehalten und die Stute unsachgemäß mit dem Kopf vom Fohlen entfernt angebunden habe – verbleibe ein mit der Quote von ¼ zu bemessenes Mitverschulden beim Kläger.

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Susan Beaucamp

Rechtsanwältin

Hengst stirbt nach Kastration: Tierarzt haftet

Hengst stirbt nach Kastration: Tierarzt haftet

OLG Hamm bejaht grobe Behandlungsfehler und Verletzung der Aufklärungspflichten

Eine Pferdehalterin zog nach einer für ihr Pferd tödlich endenden Operation vor Gericht:
Sie forderte von ihrem Tierarzt Schadensersatz in Höhe der aufgewendeten Kosten für die tierärztliche Behandlung (3000 Euro) sowie Wertersatz in Höhe des Kaufpreises, den sie für das Tier zuvor in Spanien bezahlt hatte (5000 Euro).

Ihr Hengst „Apache“ sollte eigentlich lediglich kastriert werden. Diese Kastration hatte der Tierarzt am liegenden Pferd vorgenommen. Dabei war es jedoch zu Komplikationen gekommen, in Folge derer das Tier in eine Klinik verlegt und dort nochmals operiert werden musste. Es erlitt im Nachgang dieser Behandlung eine Muskelerkrankung sowie ein Multiorganversagen; die Versuche, es wieder in den Stand zu verbringen, scheiterten allesamt, sodass das Pferd letztlich eingeschläfert wurde.

Die Eigentümerin des Hengstes verklagte daraufhin den Tierarzt und das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 12.09.2016, Aktenzeichen: 3 U 28/16) gab ihr Recht.

Danach muss der Tierarzt nun aus zwei verschiedenen Gründen haften:

Einerseits muss er sich dafür verantworten, dass die von ihm durchgeführte Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprach. Denn während dieser Operation hatte er eine sogenannte Ligatur, also das Unterbinden eines Blutgefäßes mit einem chirurgischen Faden, nur auf einer Seite vorgenommen und überdies nicht ausreichend fixiert, sodass sich in der Folge die in der Tierklinik festgestellten Folgeprobleme (die Muskelerkrankung und das Multiorganversagen) entwickelt hatten. Diese Behandlungsfehler stufte das Gericht als grob ein, sodass vermutet werden kann, dass aufgrund dieser groben Behandlungsfehler auch der spätere Tod des Pferdes herbeigeführt worden und dieser mithin dem Tierarzt zuzurechnen war. Das OLG Hamm wendete damit auch hier die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. Mai 2016 (Aktenzeichen VI ZR 247/15) von der Arzt- auf Tierarzthaftung übertragene Rechtsprechung zur Beweislastumkehr an und bleibt somit klar auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung zu Haftungsfragen im tiermedizinischen Bereich.

Andererseits muss der Tierarzt, so das Gericht, dafür haften, dass er seine Aufklärungspflichten nicht erfüllt hat. Diese Aufklärungspflichten resultieren aus dem von ihm mit der Pferdehalterin abgeschlossenen tierärztlichen Behandlungsvertrag. Danach wäre er verpflichtet gewesen, sie darüber zu informieren, dass ein Pferd sowohl im Liegen als auch im Stehen kastriert werden kann, und er hätte sie in diesem Zusammenhang auch darüber aufklären müssen, welche Risiken jeweils mit der einen oder anderen Eingriffsart verbunden sein können, und welche Art des Eingriffs bei dem betreffenden Hengst (u.a. aufgrund seiner Rassezugehörigkeit und damit einhergehender körperlicher Auffälligkeiten) vorzugswürdig ist.

Damit stärkte das OLG Hamm nochmals die Rechte von Tierhaltern gegenüber Tierärzten und machte wieder deutlich, dass diese insbesondere ihre Aufklärungspflichten vor operativen Eingriffen am Tier sehr ernst nehmen sollten, um einer Haftung bei eventuellen Komplikationen, die nie gänzlich ausgeschlossen werden können, vorzubeugen.

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Susan Beaucamp

(Rechtsanwältin)

Umfassende Pferdehalterhaftung

Verschiedene Haftungstatbestände – ein Überblick für Pferdehalter

 

Umfassende Pferdehalterhaftung 

Grundsätzlich können aus verschiedenen gesetzlichen Tatbeständen Haftungen für Pferdehalter hergeleitet werden aber Pferdehaltern auch Ansprüche im Zusammenhang mit ihrer Pferdehaltung gegenüber Dritten zustehen. 

Unter Umständen kann ein Pferd ein „gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 224 I Nr. 2 Alt.2 StGB darstellen. § 224 StGB regelt die gefährliche Körperverletzung.

Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der Art der Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.

Aufgrund der Größe und des Gewichts des Pferdes, ist es prinzipiell geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

Beispielsweise kommt eine solche Haftung in Betracht, wenn eine Person mit dem Pferd auf eine andere losreitet, um sie zur Seite zu drängen und diese dabei verletzt wird.

Für die Haftung gem. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB ist aber Vorsatz zur Begehung der Tat erforderlich, das heißt, dass die reitende Person vorsätzlich die andere schädigen wollte.

Außerdem ist eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB denkbar.

Der Halter eines Pferdes ist dazu verpflichtet, dieses zu überwachen und so abzusichern, dass Verletzungen und sonstige Schädigungen Dritter verhindert werden können. Es entsteht eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Unter Umständen kann es zu einer Haftung wegen fahrlässiger Körperverletzung kommen, wenn der Zaun der Weide nicht hoch genug ist, das Pferd mithin ausbrechen kann und anschließend einen Schaden an einem Menschen anrichtet.

Kommt der Mensch dadurch zu Tode, ist eine fahrlässige Tötung denkbar, § 222 StGB.

Des Weiteren kann an einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, § 315 b StGB gedacht werden, wenn das Pferd bei seinem Ausbruch auf die Straße rennt.

Im Zuge der Haftung im Straßenverkehr muss auch darauf geachtet werden, dass wenn bei einem Überholungsmanöver eines Autofahrers das Pferd scheut und dadurch ein Schaden entsteht, ein Mitverschulden des Fahrers entstehen kann.

II. Zivilrechtliche Haftung

Es werden innerhalb der zivilrechtlichen Haftungen zwei grundlegend verschiedene Haftungsarten unterschieden. Zum Einen die vertragliche Haftung und zum Anderen die deliktische Haftung.

1. Vertragliche Haftung

Wie der Name bereits aussagt, ist hier Grundvoraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes, dass ein Vertrag vorliegt. Werden Pflichten aus diesem Vertrag verletzt, entsteht ein Schadensersatzanspruch.

Als gutes Beispiel ist der Einstellvertrag heranzuziehen.

Dabei geben Pferdehalter ihr Tier dem Einsteller zur Obhut, ein Einstellvertrag wird geschlossen. Während der Vertragslaufzeit ist das Tier im Obhutsbereich des Pensionsstallbetreibers.

Die Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag sind die Verfügungstellung von Box und Weide, die Versorgung des Pferdes und die unbeschädigte Rückgabe des Pferdes nach Vertragslaufzeit.

Werden jene Pflichten verletzt, kann der Tierhalter Schadensersatz verlangen.

Außerdem können sogenannte Nebenpflichten aus dem Vertrag entstehen. Grundsätzlich verpflichtet jeder Vertrag nämlich den Vertragspartner zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Vor allem sind dabei die sogenannten Aufklärungs- und Schutzpflichten von Bedeutung. An die Verletzung einer solchen Pflicht ist zu denken, wenn ein Tier mit einer ansteckenden Krankheit ebenfalls im Betrieb eingestellt wird. Der Tierhalter ist darüber zu informieren.

Ebenfalls wichtig sind die sogenannten Verkehrssicherungspflichten. Gegen solche wird verstoßen, wenn eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen wird oder wenn die schon bestehende Gefahrenlage in seinem Verantwortungsbereich andauern lässt.

Der Einstellbetreiber haftet auch für ein schadenverursachendes Verhalten seiner Mitarbeiter, soweit es vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wurde. Zum Beispiel kann es passieren, dass ein Mitarbeiter ein Medikament für ein Tier falsch dosiert und dieses dann zu Schaden kommt.

Haftung vor Vertragsschluss:

Auch wenn bereits nur Vertragsverhandlungen geführt wurden, ist es möglich, dass eine Pflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch begründet. Findet zum Beispiel eine Probereiten statt und ist der Boden nicht richtig gesäubert und die Person die reitet erleidet einen Schaden, so ist dies auch vom Einsteller zu verantworten.

Weitere Verträge:

Es gibt auch viele, viele andere Arten von Verträgen. Zum Beispiel ein Behandlungsvertrag mit dem Tierarzt, ein Kaufvertrag für ein Pferd, ein Pferdemietvertrag….

2. Deliktische Haftung

Innerhalb der deliktischen Haftung kann zwischen zwei verschiedenen Grundsätzen unterschieden werden. Es gibt den Fall der Verschuldenshaftung und den Fall der Gefährdungshaftung. Die deliktischen Haftungstatbestände sind in den §§ 823 – 853 BGB geregelt.

a) Verschuldenshaftung

Jede natürliche Person haftet für den von ihr hervorgerufenen Schaden, dessen Eintritt für sie vorhersehbar und vermeidbar war. Das „Verschulden“ dieser Haftung besteht darin, dass die Person die Ursache für den Eintritt des Schadens gesetzt hat oder nicht alles mögliche und zumutbare getan hat, um den Eintritt des Schadens zu verhindern, nachdem ein Geschehensablauf von ihr in Gang gesetzt wurde, der schlussendlich zum Schadenseintritt führte.

Als gutes Beispiel ist hier § 823 BGB heranzuziehen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.“

Wichtig ist hierbei, dass IRGENDEINE Art von Verschulden vorliegen muss. Sei es, weil vorsätzlich ein Verhalten geplant war, oder fahrlässig die Weidetür offen stehen gelassen wurde, sodass das Pferd entfliehen konnte und auf der Flucht ein Auto geschädigt hat.

b) Gefährdungshaftung, § 833 S.1 BGB

Die Gefährdungshaftung ist wohl der wichtigste Haftungstatbestand für Tierhalter. Hier ist keine Art von Verschulden erforderlich. Dem Halter des Tieres kann keinerlei Fehlverhalten vorgeworfen werden. Tierhalter ist, wer an der Haltung ein eigenes Interesse, eine mittelbare oder unmittelbare und grundsätzlich nicht nur vorübergehende Besitzstellung und die Befugnis hat, über Betreuung und Existenz des Tieres zu entscheiden.1

Grund für eine solche verschuldensunabhängige Haftung ist die besondere Gefährlichkeit, die von Tieren ausgeht. Denn Tiere haben ein unberechenbares und willkürliches Verhalten.

Zur Erfüllung dieses Tatbestandes ist die Verursachung des Schadens „durch ein Tier“ gefordert, das heißt, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verhalten des Tieres vorhanden sein muss. Bei dieser Schädigungshandlung muss sich die „typische Tiergefahr“ realisiert haben. Dies meint, dass sich ein unberechenbares und selbstständiges Verhalten, welches der tierischen Natur entspricht, verwirklicht haben muss.

Jenes unberechenbare und selbstständige Verhalten kann ein Tierhalter nicht vollständig beherrschen, also eröffnet sich mit der Haltung des Tieres eine Gefahrenquelle. Diese Gefahrenquelle rechtfertigt eine strenge Haftung, auch für verschuldensunabhängiges Verhalten.

Beispiele sind das Scheuen eines Pferdes und ein anschließender Tritt oder dergleichen, wenn es sich erschreckt oder ein ungeahnter Deckakt auf der Weide.

Auch für Hundehalter ist dies wichtig. Wenn bei einem Spaziergang ein anderer Hund trotz Leine und anderer Maßnahmen sich mit einem anderen Hund zerbeißt.

Wichtig ist aber, dass keine typische Tiergefahr vorliegt, wenn das Tier aufgrund von menschlichen Weisungen handelt. Zum Beispiel wäre dies der Fall, wenn jemand seinen Hund auf eine andere Person hetzt.

§ 833 S. 1 BGB regelt die Haftung für sogenannte Luxustiere, darunter fallen im Normalfall Haustiere, die zu „Liebhaberzwecken“ gehalten werden. Oder aber Tiere, die nicht zu gewerblichen Zwecke genutzt werden.

Im Gegensatz zu § 833 S.1 BGB regelgt § 833 S. 2 BGB die Gefährdungshaftung für Nutztiere, dies können beispielsweise Zuchttiere sein, Vereinstiere oder Schlachttiere. Hierbei tritt eine Ersatzpflicht des Tierhalters nicht ein, wenn der dieser bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.

III. Mitverschulden

Der Schadensersatzanspruch bei den Haftungstatbeständen kann verkürzt werden, sobald ein Mitverschulden der anderen Partei vorliegt, § 254 BGB.

Vor allem ist dies der Fall, wenn beispielsweise bei einem Überholmanöver eines Autofahrers an einem Pferd dasselbe scheut und das Auto beschädigt. Dabei wurde zwar die typische Tiergefahr realisiert, jedoch kann auf den Fahrer eine Verkürzung des Anspruchs drohen, weil er unter Umständen zu schnell gefahren ist oder nicht genügend Abstand gehalten hat. So kann es auch unter Umständen dazu kommen, dass der Fahrer die volle Verantwortung für seinen Schaden übernehmen muss.

1 Hamm, VersR 73, 1054

Pferdehaltung aus Tierschutzsicht

Pferdehaltung aus Tierschutzsicht: Die wichtigsten „Basics“

Das deutsche Tierschutzgesetz (TierSchG) als parlamentarisch zustande gekommenes Gesetz gilt für jeden Tierhalter in Deutschland ohne Wenn und Aber, seine Regelungen zum Schutz der Tiere sind also verbindlich. Daneben sind zahlreiche Verordnungen in Kraft, die ebenso beachtet werden müssen. Nicht rechtsverbindlich, aber dennoch als Auslegungshilfe wichtig für die Gerichte und Behörden bei deren täglicher Bewertung tierschutzrechtlich relevanter Sachverhalte sind die sog. „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“. Erarbeitet wurden sie von der Sachverständigengruppe tierschutzgerechte Pferdehaltung im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und können auch auf dessen Internetseite abgerufen werden (https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tierschutz/GutachtenLeitlinien/HaltungPferde.pdf;jsessionid=F8569EB6FB25474A8BF31300A3AF1DE5.2_cid358?__blob=publicationFile).

Sie dienen vor allem den meist selbst nicht mit der Pferdehaltung vertrauten Richtern als wichtige Orientierungshilfe, könne sie anhand dessen doch beurteilen, ob ein Pferd dem Tierschutz entsprechend gehalten wird oder nicht, ob der Halter also Auflagen des Amtstierarztes oder der Veterinärbehörde zu erfüllen hat, ob er zu bestrafen ist oder ob ihm die Pferde möglicherweise sogar weggenommen werden müssen. Auch in aktuellen Urteilen (vgl. z.B. das Urteil des VG Würzburg vom 03. März 2016 (Aktenzeichen W 5 K 15.613)) greifen die Richter auf diese Leitlinien zurück. Dabei tauchen viele Aspekte, die eigentlich zu den „Basics“ der Pferdehaltung gehören sollten, in diesen Gerichtsurteilen immer wieder auf. Daran zeigt sich, dass der grundlegende Inhalt der Leitlinien und damit diese „Basics“ leider nicht jedem Pferdehalter in Deutschland ausreichend bekannt sind:

  • Dem Pferd als einem in Gruppen lebenden Tier müssen stets zumindest Sicht-, Hör- und Geruchskontakt zu anderen Pferden gewährt werden. Ausnahmen sind nur bei eindeutig unverträglichen Einzeltieren oder Krankheiten erlaubt, sowie wenn die Einzelhaltung eine bloße Übergangslösung darstellt.
  • Fohlen und Jungpferde sollen zugunsten ihrer sozialen Entwicklung in Gruppen aufwachsen und auf keinen Fall einzeln gehalten werden.
  • Pferden muss täglich ausreichend freie Bewegung ermöglicht werden, d.h. so oft wie möglich Weidegang und/ oder Auslauf. Die dauernde Anbindehaltung verstößt gegen das Tierschutzgesetz.
  • Für das arttypische Ruhen sollte den Pferden eine ausreichend groß bemessene, trockene und verformbare Liegefläche zur Verfügung gestellt werden.
  • Jedem Pferd muss ausreichend Zeit und Ruhe zum Fressen sowie möglichst ein eigener Futterplatz gegeben werden; ausreichend rohfaserreiches Futter sollte dabei zur Verfügung stehen. Der Nährstoff- und Energiegehalt sowie die Menge des Futters sind dabei dem Erhaltungs- und Leistungsbedarf des Einzeltieres anzupassen, um sowohl Unterernährung als auch Überfütterung zu vermeiden.
  • Wasser muss jedem Pferd jederzeit zur Verfügung stehen. Ist dies in Ausnahmefällen einmal nicht möglich, muss sichergestellt werden, dass das Pferd mindestens dreimal täglich bis zur Sättigung getränkt wird.
  • Mindestens einmal täglich muss überprüft werden, ob mit dem Pferd, d.h. mit seiner Gesundheit und Haltung, alles in Ordnung ist.
  • Haltungsbedingte Einschränkungen der arteigenen Körperpflege des Pferdes sollten durch den Halter ausgeglichen werden. Hierbei sind aber Manipulationen an Haaren, die ein funktionaler Teil der Organe sind (z. B. Tasthaare) oder die eine besondere Schutzfunktion haben (z. B. Haare in den Ohrmuscheln) verboten, solange der Tierarzt sie nicht anordnet.
  • Die Hufe der Pferde müssen regelmäßig kontrolliert und gepflegt werden, ggf. muss für fachgerechten Beschlag gesorgt werden (vgl. dazu das Hufbeschlaggesetz (HufBeschlG, https://www.gesetze-im-internet.de/hufbeschlg_2006/BJNR090010006.html)
  • Entwurmungen und Impfungen sollten regelmäßig durch einen Tierarzt vorgenommen werden; auch gehört dazu mindestens einmal jährlich die Kontrolle der Zähne des Pferdes.
  • Bei ganzjähriger oder sich über einen längeren Zeitraum hinziehender Weide- bzw. Auslaufhaltung muss ein Witterungsschutz vorhanden sein. Auch müssen allen Pferden nicht-morastig aufgeweichte Flächen zur Verfügung stehen.
  • Einzäunungen müssen gut sichtbar, stabil und ausbruchsicher sein; Stacheldraht oder Knotengitter allein sind als Zaun tierschutzrechtswidrig und müssen daher durch eine gut sichtbare und nicht verletzungsträchtige Absperrung zusätzlich nach innen abgesichert sein. Elektrogeräte sollten dabei als Impulsgeräte mindestens 2 000 bis max. 10 000 Volt sowie max. 5 Joule Impulsenergie aufweisen; auf ein VDE-, GSE- oder DLG-Prüfsiegel sollte geachtet werden.
  • Im Aufenthaltsbereich der Pferde, also auch in Stallgasse, Wasch-, Putz-, Beschlag- und Behandlungsplätzen sowie auf den Wegen zwischen den einzelnen Bereichen (Stall, Reithalle, Weide etc.).muss der Bodenbelag trittsicher sowie rutschfest sein und den hygienischen Anforderungen entsprechen.
  • Die trockenen und verformbaren Liegeflächen für die Pferde sollten im Stall eingestreut sein. Um eine erhöhte Schadgaskonzentration sowie Krankheiten zu vermeiden, sollten Exkremente und nasse Einstreubereiche in der Regel einmal täglich entfernt und mit trockener Einstreu aufgefüllt werden. Dabei müssen die Einstreumaterialien (z. B. Langstroh, Strohhäcksel, Hobel- oder Sägespäne) trocken und gesundheitlich unbedenklich sein, d. h. schimmelige, stark staubende oder giftige Materialien (Imprägniermittel, giftige Hölzer) dürfen keine Verwendung finden.
  • Eine Haltung auf Spaltenböden entspricht nicht diesen Anforderungen.
  • Der Stall muss ausreichend mit Frischluft versorgt werden und eine angemessene Luftzirkulation muss sichergestellt werden; die optimale relative Luftfeuchtigkeit liegt bei 60 – 80 %, die CO2- Konzentration sollte unter 1000 ppm (0,10 Volumen %) bleiben und die Ammoniakkonzentration 10 ppm nicht überschreiten. Spuren von Schwefelwasserstoff deuten dabei auf extrem unhygienische Zustände im Pferdestall hin.
  • In Bezug auf die Belichtung ist zu beachten, dass mindestens 80 Lux über mindestens 8 Stunden je Tag erreicht werden sollten, wobei der Pferdestall auf mindestens 1/20 seiner Fläche mit Fenstern ausgestattet sein sollte.

Reiten auf öffentlichen Wegen

Reiten auf öffentlichen Wegen

Mit dem Pferd unterwegs auf öffentlichen Wegen :
Welche rechtlichen Vorgaben muss ich beachten?

Reiten auf öffentlichen Wegen  Mitunter lässt es sich nicht vermeiden, mit dem Pferd zum Beispiel auf einer Landstraße unterwegs zu sein. Dabei bestehen für alle Teilnehmer am Straßenverkehr ohnehin Gefahren, die durch die Beteiligung von Tieren nochmals erhöht werden. Deshalb bedarf es rechtlicher Vorgaben, die Unfälle möglichst vermeiden sollen. Um die eigene Haftung als Pferdehalter so gering wie möglich zu halten und sich selbst sowie sein Tier vor Verletzungen zu bewahren, sollten die wichtigsten Regelungen bekannt sein. Zu diesen zählt insbesondere § 28 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Dieser regelt, was beim Umgang mit Tieren auf öffentlichen Straßen zu beachten ist:

Ausreichende Einwirkung auf das Pferd erforderlich

Danach sind Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können (und dazu gehören wegen ihrer Größe und Kraft sowie ihrer grundsätzlichen Eigenschaft als Fluchttier auch Pferde) zunächst von der Straße fernzuhalten. Sie dürfen nur betreten werden, wenn geeignete Personen die Pferde begleiten. Diese Personen müssen „ausreichend auf sie einwirken können“, wie es das Gesetz beschreibt. Das bedeutet im Klartext: Nur, wer sein Pferd im Griff hat und es sicher reiten bzw. führen kann sowie die Gefahren des Straßenverkehrs einschätzen kann, darf sich mit dem Tier auch auf eine öffentliche Straße begeben. Reitanfänger oder auch Personen, die das Pferd noch nicht ausreichend kennen oder noch nicht mit dessen Eigenarten vertraut sind, aber auch diejenigen, die (wie es der Bundesgerichtshof einmal formulierte) nicht „über Geschicklichkeit und Kraft verfügen“ (BGH, Urteil vom 27.Mai 1986, Aktenzeichen VI ZR 275/85), sollten hier also kein Risiko eingehen und öffentliche Straßen besser meiden.

§ 28 StVO gilt auch für geführte Pferde

Die StVO gilt ebenso, wenn das Pferd nicht geritten, sondern geführt wird. Zwar sind diese beiden Tätigkeiten grundsätzlich nicht identisch zu werten, wie das OLG Dresden 2015 entschied (vgl. dazu die Urteilsbesprechung auf meiner Seite: https://pferderecht-sbeaucamp.de/fuehren-eines-pferdes-ist-nicht-reiten/) , doch können von geführten Pferden ebenso Gefahren ausgehen wie von gerittenen. Daher regelt § 28 StVO ebenfalls, dass Tiere nie von Kraftfahrzeugen aus geführt werden dürfen. Eine Ausnahme besteht nur für das Führen von Hunden von einem Fahrrad aus; dies ist nach der StVO erlaubt. Wird aber ein Pferd auf einer öffentlichen Straße geführt, so sind sinngemäß die für den gesamten Fahrverkehr bestehenden Regeln zu beachten. Das bedeutet insbesondere, dass der rechte Fahrbahnrand genutzt werden muss.

Nicht zwei Pferde auf einmal führen

Auch muss jedenfalls auf kurvenreichen und unübersichtlichen Strecken vermieden werden, zwei Pferde auf einmal zu führen, wie ein Urteil des LG Koblenz vom 03. Februar 2014 (Aktenzeichen 5 O 419/11) deutlich macht. Denn wie der in diesem Fall zu Rate gezogene Sachverständige ausführte, wird dadurch automatisch eines der Tiere auf der „falschen“ rechten Seite geführt. Dies ist das Tier einerseits zumeist nicht gewohnt, andererseits kann es so nicht mehr auf eine von der Gegenfahrbahn drohende Gefahr durch eine Ausfallbewegung reagieren, weil das andere Pferd und die führende Person im Weg sind. Dadurch kann nicht mehr, wie von § 28 StVO gefordert, ausreichend auf das Pferd eingewirkt werden, und es drohen erhebliche Gefahren für alle Beteiligten.

Beleuchtungsvorschriften beachten

Außerdem gelten spezielle Regelungen, um die Sicherheit auch bei schlechten Witterungsverhältnissen und Dämmerung oder Dunkelheit sicherzustellen:
Danach muss beim Führen von Pferden (auch dann, wenn es sich nur um ein einzelnes Tier handelt) eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht mitgeführt werden, welche man von vorne auf der linken Seite und auch von hinten gut sehen können muss. Dadurch soll insbesondere den Gefahren begegnet werden, die daraus entstehen können, dass für andere Verkehrsteilnehmer das geführte Pferd als unvermutetes Hindernis auftaucht (vgl. OLG Celle, Urteil vom 23. Januar 2002, Aktenzeichen 20 U 42/01). Wer gegen diese Beleuchtungsvorschriften verstößt und in einen Unfall verwickelt wird, muss damit rechnen, trotz eines Sorgfaltspflichtverstoßes des Unfallgegners zu mindestens 50 % zur Verantwortung gezogen zu werden, wie bereits 1996 das LG Bad Kreuznach entschied (Urteil vom 12. Juli 1996, Aktenzeichen 2 O 105/94).